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Hermann Gradl - Professor und Maler


Hermann Gradl - Selbstbildnis beim Malen - 1938
Hermann Gradl - Selbstbildnis beim Malen - 1938


In seinen Betrachtungen "Über Kunst und Altertum" hat Goethe in treffender Weise den stufenweisen Aufstieg von "einfacher Nachahmung der Natur" über "Manier" zum "Stil" gekennzeichnet. "Wenn ein Künstler", sagt er, "sich an die Gegenstände der Natur wendet, mit Treue und Fleiß ihre Gestalten, ihre Farben auf das genaueste nachahmt, . . .könnte es nicht fehlen, dass er in einem unglaublichen Grade wahr würde, dass seine Arbeiten sicher, kräftig und reich sein müssten. . .
Es gibt nicht viele Künstler, in deren Entwicklungsgang sich der hier von Goethe vorgezeichnete Weg zur höchsten Vervollkommnung mit solcher Folgerichtigkeit nachweisen lässt, wie im Schaffen des Nürnberger Malers Hermann Gradl, sein reiches Lebenswerk in einem kurzen Überblick zu würdigen. Im unterfränkischen Marktheidenfeld am 15. Februar 1883 geboren, hat Gradl seine Schülerjahre in Dillingen an der Donau verlebt, in den Jahren 1899 bis 1902 die Städtische Gewerbeschule in München besucht und hierauf an der Münchener Kunstgewerbeschule Aufnahme gefunden, wo ihm der in vielerlei Techniken bewanderte Professor Theodor Spieß mannigfache Förderung zuteil werden ließ. Durch einige Jahre dessen Assistent, ging er dann - erst vierundzwanzigjährig - als Lehrer für Weberei und Keramik an die Kunstgewerbeschule nach Nürnberg, das ihm fortan zur zweiten Heimat wurde.


Ringelreihe in der Nürnberger Altstadt - 1918


1938 erfolgte seine Ernennung zum Leiter der Landschaftsklasse an der Nürnberger "Staatsschule für Angewandte Kunst", und als diese 1940 zum Range einer "Akademie der bildenden Künste" erhoben wurde, trat Professor Gradl als Direktor an ihre Spitze. Blieb er auch in seinem amtlichen Wirkungskreise dem Kunstgewerbe immer noch in einem gewissen Grade verbunden, so hatte er sich doch als schaffender Künstler wie als Lehrer längst der freien Kunst, und zwar vor allem der Landschaftsmalerei ergeben, zu der es ihn schon als jungen Studenten mächtig hingezogen hatte. Während seiner Münchener Studienzeit benützte er jede freie Stunde, um sich mit den Schätzen der Alten Pinakothek vertraut zu machen, unter denen er den altdeutschen und holländischen Meistern das stärkste Interesse entgegenbrachte.


Weg vom Dillberg nach Marktheidenfeld - 1917


Namentlich die kühle Sachlichkeit der Landschaften Jan van Goyens mit ihren niederen Horizonten hatte es ihm angetan, und als er später daranging, sich selbst als Landschafter zu versuchen, da waren es die weiten Flächen der bayerischen Hochebene, die ihm - in kurzen Ferienwochen - die Motive für seine Studien und Bilder lieferten. Insbesondere am Ammersee und seinen reizvollen Gestaden konnte er sich nicht sattsehen, und als er dort sein erstes Gemälde vollendet hatte, wurde er noch im selben Jahre (1912) von der Nürnberger Städtischen Galerie erworben. Das war ein gutes Omen und ermunterte zu weiterer eifrigen Tätigkeit auf diesem Gebiete.


Feierabend in Franken - 1919


Dazu gab die Folgezeit mit der durch den Weltkrieg wesentlich eingeschränkten Lehrtätigkeit reichliche Gelegenheit. Studienreisen durch Bayern und Franken füllten Jahr für Jahr Gradls Mappen und ließen viele, meist kleinformatige Landschaftsbilder entstehen, von denen Heinrich Bingold eine ganze Anzahl in seinem Buche "Hermann Gradl, ein neuer deutscher Maler-Romantiker" veröffentlichte, das 1920 bei Walter Hädecke in Stuttgart erschien.


Wasserholen am Dorfbrunnen - 1924


Wie uns der Untertitel des Werkes verrät, war Gradl damals über das erwähnte Anfangsstadium der "einfachen Nachahmung der Natur", die er in zahllosen, mit liebevoller Sorgfalt gezeichneten Skizzen betätigt hatte, bereits hinausgewachsen und zu einer eigenen Ausdrucksweise gelangt, die an die der "Malerpoeten" Schwind und Richter, Spitzweg und Hans Thoma anknüpfte. Das entsprach seiner besinnlichen, für lyrische Stimmungen empfänglichen Art, die es, durchaus lebensbejahend, auch nicht an stillem Humor fehlen ließ.


Gasthaus in Bacharach - 1927


Vor allem aber war es der deutsche Grundzug seines Wesens, der diese Wahlverwandtschaft begründete. Sein gesamtes Malwerk ist dem Lob der deutschen Heimaterde gewidmet, deren schlichte und unaufdringliche Schönheit zu schildern er nicht müde wurde. So konnte Hermann Uhde-Bernays unter dem Titel "Deutsche Landschaften" (Stuttgart, Walter Hädecke, 1924) eine weitere Serie von Originalen Gradls reproduzieren, die Ansichten aus der Umgebung Nürnbergs (dem sogenannten Knoblauchsland) aus der Maingegend und dem Odenwald, aus Schwaben, Oberbayern und dem Bayerischen Wald umfasste.


Spazierfahrt am Sonntag - 1930


Finden wir im Bilderteil der Bingold'schen Monographie noch mancherlei Genrehaftes und Anekdotisches, bildeten darin Landschaften ohne Staffage die Ausnahme, so tritt uns jetzt immer häufiger die unbelebte, wenn auch nicht unbeseelte Landschaft entgegen, die unter Verzicht auf stimmungserhöhendes figurales Beiwerk lediglich durch ihre Weiträumigkeit und ihre großen Linien wirken will. Dass aber der für Dorf und Kleinstadt so charakteristische Reiz des Intimen dennoch zu gebührender Geltung kam, zeigte das mit einem Text Ludwig Ankenbrands versehene schmucke Abbildungswerk "Der schöne deutsche Süden. Die Seele der Heimat in Bildern" (Stuttgart, Walter Hädecke, 1936), das in meisterlichen Kreidezeichnungen und Farbstudien Gradls "das Land der Franken, Bayern, Schwaben und Alemannen abseits der großen Verkehrswege" vorführte. Und den Ehrentitel eines "Rhein-Malers" erwarb er sich mit Reiseskizzen vom Oberrhein bis Nymwegen, die der Verlag Dom-Galerie in Köln in einem reich illustrierten Hefte "Der Rhein" 1928 breiteren Kreisen erschloss.


Wintervergnügen im Knoblauchsland - 1922


Als das Haus der Deutschen Kunst zu München 1937 seine Pforten öffnete, war Gradl darin mit nicht weniger als neun Ölgemälden vertreten und beschickte auch alle folgenden Ausstellungen mit Werken, die in der Großzügigkeit der Auffassung und der Geschlossenheit der Komposition deutlich erkennen ließen, dass der Meister nunmehr die dritte und letzte Stufe seiner Entwicklung, den großen, persönlichen Stil erreicht habe.
Und bald sollte sich diese edle Reife auch in einem höchst ehrenvollen Auftrag erweisen, der ihm anlässlich des Neubaus der Reichskanzlei in Berlin erteilt wurde. In sechs umfangreichen Gemälden waren "typische Erscheinungsformen" der deutschen Landschaft darzustellen, war in freier, monumentaler Gestaltung Wesen und Sinn des deutschen Landes zu deuten. Gradl löste diese imposante Aufgabe in vorbildlicher Weise. Bereits in der Münchener Schau des Jahres 1939 waren vier der Bilder, und zwar das "Mittelgebirge", die "Seelandschaft", das "Hochgebirge" und die "Flusslandschaft" zu sehen; die gesamte Kollektion jedoch (mit dem "Bächlein" und dem "Flachland") bildete 1940 den Mittelpunkt der "Ausstellung von Werken lebender fränkischer Künstler" in der Nürnberger Norishalle. Es gibt jedoch keinen Nachweis bzw. Fotos, dass diese sechs Gemälde in der Reichskanzlei in Berlin je ankamen.


Obstmarkt im Hafen von Split - 1933
Obstmarkt im Hafen von Split - 1933

Kaiuran in Tunesien - 1933
Kaiuran in Tunesien - 1933



Text von Dr. Hans Ankwicz-Kleehoven aus dem Jahr 1946

Dr. Hans Ankwicz-Kleehoven ( geb. 29.09.1883 in Böheimkirchen, Niederösterreich, gest. 1.10.1962 in Wien) war ein österreichischer Kunsthistoriker und Bibliothekar, jüdischer Herkunft mütterlicherseits.
Er studierte von 1902 bis 1906 Geschichte und Kunstgeschichte in Wien und Berlin. In Wien wurde er 1906 in Geschichte mit der Arbeit Dr. Johann Cuspinian betraut und promovierte über sein Leben und Werke.
Anschließend trat er in den Staatsdienst und war in der Bibliothek des Unterrichtsministeriums tätig.
Seit 1915 arbeitete er für das Museum für Kunst und Industrie, unterbrochen 1915 bis 1918 durch den Kriegsdienst. Von 1920 bis 1938 schrieb er als Kunstreferent für die Wiener Zeitung.
Im Jahr 1925 wurde er Leiter der Bibliothek des Museums für Kunst und Industrie.
1945 wurde er Direktor der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste Wien mit dem Titel Generalstaatsbibliothekar.




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